Es gibt Landschaften, die, einmal erlebt, so nachhaltig in der Erinnerung wirken,daß sie immer von neuem in ihren Bann ziehen und wie ein Jungbrunnen Leib und Seele erfrischen. Solch eine gesegnete Landschaft ist das Riesengebirge.

Kahle Berghöhen und stumpfpyramidale Gipfel, steile Abhänge und scharf zugeschnittene Kämme, schroffe Klüfte und finstere Abgründe reihen sich in den langen Zuge der Sudeten ein und damit bildet das Riesengebirge deren höchsten Teil und somit nach den Alpen und den Karpaten die dritthöchste Bergkette Mitteleuropas

Das von Kuppe zu Kuppe emporstrebende Gebirgsmassiv , erreicht fast alpinen Charakter, dem die reiche Abwechslung seiner anmutigen Berglandspoesie in Bild und Sage erhabene Weihe und Bedeutung verleiht.

Wer als naturliebender Mensch und Wanderer in das Riesengebirge kommt, ahnt kaum in welchem Maße sich diese gewaltige Welt mit ihrer tiefen Magie sich um einen umschließt. Er wird seine helle Freude an dieser ursprünglichen Lebendigkeit haben, ob ihn der Weg an die Lomnitz im Melzergrunde, an die überfallende Kochel, ans Weißwasser, an die Aupa oder an die Mummel führt.

Wenn Ende Mai der Frühling einsetzt, dann rauscht und tobt das Schmelzwasser zu Tale und man hat seine helle Freude und ist gerührt von den sprudelnden Quellen die aus dem Innenreich des Berges als Rinnsal sprudeln um dann als rauschender Wasserfall am steinigen Hang in die Tiefe zu stürzen

Je näher du dem westostwärts gestreckten Hauptrücken des Riesengebirges kommst, desto deutlicher spürst du seinen ungestümmen Herzschlag im unruhigen Gewoge der grünen Ketten und Täler,die sich immer enger,immer dichter vor den Hochkamm lagern.

Nicht nur die zackige Wildheit der gewaltigen tiefen Kessel, Gruben und Schründe die von einstiger Gletschertätigkeit zeugen geben dem Riesengebirge einen stolzen, herben und majestätischen Charakter, sondern auch die weite Einförmigkeit der Hochwiesen, die der vom Tale Anwandernde hier oben nicht vermutet.

Eine baumlose, himmelüberblaute Weite, wo jeder Ruf der Kehle wie in ein Nichts fällt. Nur wellige Fläche und umrandende Wälle - du wähnst dich in einer von Riesenhand hochgehaltenen Opferschale.

Die Luft ist leicht und im Winde zittert sie unter den Wellen des Lichtes. Plötzlich aus dem Nichts ziehen Wolken aus dem Tal empor um irgendwo wieder als sich brodelnder Nebel in die Gründe zu senken.
In solchen Momenten beginnt man an ihn zu glauben an den legendäre Berggeist Rübezahl ,der auch als Wettermacher gilt und einem mitunter heftig zusetzen kann.

Aber man muß sie hautnah kennenlernen die Launenhaftigkeiten des Wetters um auch die letzen Geheimnisse dieser Gebirgswelt zu begreifen
Die kahlen Felsenkegel, jähen Schlünde, tiefblauen Hochseen, die weit ausgebreiteten Knieholzpartien, den sumpfigen Hochwiesen. Die einzig liebliche Flora. Das scheue Wild, was da kreucht und fleucht. Daneben liegen Anmut und Lieblichkeit allüberall gebreitet.Immer wechselvoller sind die Wege und Ausblicke, die Formen und Linien.

Bald liegt vor dem Betrachter das herrliche Panorama, wie gebannt haftet sein Blick an der scheinbar formlosen Masse, die da plötzlich aus der Ebene emporsteigt, Immer gigantischer und erhabener werden die Formen, je mehr er sich dem Gebirge nähert, durchdringen möchte er schon von ferne, was sich dort seinen Blicken offenbart, seine Sehnsucht die Berge zu umfassen und in seine Täler einzudringen wächst mit der Abnahme der Entfernung.

Ein Berg löst sich von dem andern, im Licht der Sonne scheiden sich die Höhen von den Tiefen und er erkennt, das das, was in der Ferne vor ihm lag, als toter Körper sich jetzt ihm offenbart als eine Quelle voller Leben, die aus ihrem Schoße, dank der Kräfte, die in ihr walten, immer Neues und Unvergängliches hervorzuzaubern vermag

Wenn einst die Schlesier von ihrem Riesengebirge sprachen, dann haben sie von ihm als dem schönsten Teil des gesamtschlesischen Landschaftsraumes geredet.

Jene gewaltige Wand der Riesenberge, die eigentlich nur Glieder in der großen Gebirgskette sind, die vom Fichtel- und Erzgebirge über die stillen Iserberge herkommend im Riesengebirge aber ihren erhabensten Hochklang finden und von hier weitergehen zum Waldenburger Bergland und von diesem wieder über das Eulen- und Glatzer Gebirge bis zum Altvater, ist von jeher noch immer die Sehnsucht eines jeden Schlesiers gewesen.

Von den Bergen grüßen aus dem weiten Talkessel die Dörfer und Ortschaften herauf, lange Häuserzeilen, die zu einem Teil sich parallel zum Bergkamm hinziehen, zum andern aber mit ihm einen rechten Winkel bildend zu ihm hinführen, namentlich die, die ganz in seiner Nähe liegen, so dass die obersten Häuser sich schon die Hänge hinauf gemüht haben und von dort ihre bunten Dächer ins Tal leuchten lassen

Zu jeder Tages- und Jahreszeit will das Riesengebirge erwandert sein, und immer wird es spenden aus dem Brünnlein, das jung macht und nimmer alt. Wenn du die Einsamkeit suchst, magst du viele Stunden wandern, ohne eine menschliche Behausung anzutreffen.

Von den Gipfeln der Berge herab grüßen die altersgrauen Mauern ehemaliger Burgen und verfallener Raubschlösser. Ehrfurchtsvoll betritt der Wanderer die in einsamer Stille liegenden Höfe der alten Ruinen

Obwohl von den Wassern des Zacken und Bober, der Litsche, Aupa, Elbe und Iser eng begrenzt bietet das Riesengebirge dem Besucher durch seinen seltenen Reichtum an landschaftlichem Liebreiz umhaucht von reinen Odem göttlicher Majestät, während sich die Vorberge in einen dunklen Mantel dichten Nadelwaldes kleiden, wo kühler Schatten und lauschige Plätzchen, sowie frische, sich oftmals in malerischen Falle überstürzende Gebirgsbäche zu herrlichen Wanderungen einladen

Wer sich dem Riesengebirge von der Hirschberger Talseite nähert und durch das große schlesische Gebirgstor, durch Hirschberg,kommt , dem offenbart sich ein unbedingter Eindruck eines hervorragend schönen Naturbildes. Von weiter Ferne sieht man die in blauen Dunst gehüllte dunkle Masse vor seinen Blicken lagern.

Du stehst plötzlich und überwältigt vor der wundersamen, weitgeschwungenen Linie des Riesengebirges, das steil und unvermittelt aus dem Hirschberger Tale aufzusteigen scheint

Kommst du aber von Böhmen her auf das Gebirge, dann nimmst du einen Südwall nach dem anderen und steigst wie von Stufe zu Stufe bis auf den Hochkamm.

Diese Ansicht hat darum einen so eigentümlichen Reiz, weil hier der Hochgebirgskamm sich aus sanften Höhen zu immer höher ansteigenden Bergen erhebt, auf welchen die Kolosse des Kamms seine langen, geschwungenen Linien vorteilhaft unterbrechen.

Die Ansichten des Spiegels aus der nahen Ebene, und der Kesselkoppe aus der Gegend von Rochlitz nehmen durch die Großartigkeit des Eindrucks Vorzüge an, welche kaum anderswo übertroffen werden.

Am Rande der Schneegruben steht der Wanderer still wie fest gebannt durch den Anblick dieses Wunders der Natur. Über ihm wölbt sich der blaue Himmel, unter ihm gähnt der Abgrund, die schaurige Tiefe der einst in dem ungeheuren Ringen der Natur hervorgezauberten Gründe und drüben wiederum die Wälder und Wiesen, die lachende, blühende Landschaft

Wie schön wandert es sich in lieblichen Tälern und Gründen mit dem Absprung oder gegen den lebhaften Wellenschlag der Bäche, die in ihren Felsbetten rauschen und schäumen wie gärender Wein, daß es einem schier die eigene Stimme verschlägt.

Das Herz des Wanderers, der draußen in dem rastlosen Streben nach äußeren Gütern den Zusammenhang mit der Natur verlor, wird wieder jung bei dem Durchschreiten der im frischen Grün prangenden Fichtenwälder.

Höher empor steigt der Wanderer auf einsamen Pfaden zur Seite den rauschenden Wald, unter ihm weite Täler und blühende Dörfer; durch Knieholz windet er den Schritt und bald steht er oben auf dem Kamm so nahe am Himmel und unter sich die weite Welt.

Andächtig lauscht er auf die Stimmen der Natur, die ihm in dem Säuseln in den hohen Fichtenstämmen, dem Rauschen der Bäche und dem Gesange einsam nistender Vögel entgegenschallen

Die Märchenwelt vergangener Kindertage wird in ihm wach und die Sagen von Rübezahl, von den Gnomen und Zwergen werden in seiner Erinnerung lebendig.
Die phantasiebegabte Seele erkennt, das die Märchen der Kindheit hier ihren Ursprung gefunden haben und das in den Bergen und Tälern verborgene Kräfte schlummern, die nur der zu erkennen vermag, der mit einem empfänglichen Sinn für die Schönheiten und Reize der Natur begabt ist

Besonders reizvoll ist der Wandel der Jahreszeiten, deren schönster Schmuck die wechselvolle Flora ist Aber welche Jahreszeit legt dem Riesengebirge die größten Reize an ? Wer kann es sagen ?

Herb ist der Bergfrühling mit seinen gewaltigen hemmungslosen Stürmen, unter deren Wucht das Wurzelwerk selbst der ältesten und abgehärtetsten Wetterfichten in der Erde erzittert, und wer in diesen Tagen einmal durch die Wälder geht, wird nicht selten gebrochene Baumstämme, ja, Baumriesen mit allen Wurzeln aus dem Erdreich gehoben liegen sehen.

Hold ist der Frühling mit den rosenroten Kissen des Habmichlieb an den Hängen und Grubenrändern, mit den schaukelnden Anemonen neben den schwarzgrünen Knieholzbüschen, mit dem weißen Berghähnlein an den Teichwänden, mit den stürzenden Schmelzwässern und dem duftenden Maiwuchs in den Bergwäldern.

Schwer rauschen in den vollen Bergbächen die Schmelzwasser hernieder. Weiter unten blühen am Rand der Bäche die ersten Weidenkätzchen, goldgelb und stäubend.

Scheu lugt der Krokus bis ihn schon am nächsten Tag der neue Schnee bricht und verschüttet. Ende April fangen die Wiesen an zu grünen, und der Frühling stellt die ersten Märzenbecher und Himmelschlüssel auf den samtenen Teppich der Hangwiesen

Im späten Frühling, wenn die letzten Teppiche alten Schnees in kühlen Klüften tauen, blühen schon die roten Sternlein der lieblichen primula minima, der das Volk den schönen Namen "Habmichlieb" gegeben hat. Sie ist die Wappenblume des Riesengebirges. Den heißen Blick des Fingerkrautes, das "Goldauge" heißt, können wir nicht vergessen. Sein strahlendes Gelb scheint zu brennen.

Immer noch aber ist es kühl, und selbst bis in die Maitage hinein treibt der Schnee in den tieferen Tälern, während der hohe Kamm noch eine einzige weiße Farbe hat.

Schön ist der Bergsommer mit den farbenfrohen grasreichen Wiesen, den lichtgebadeten Höhen, den schattenfrischen Wäldern und den langen, hellen Tagen. mit ihrer ganzen großen, warmen Fülle und mit dem Duft des Bergheus

Er führt den Bergen eine große Zahl von Gästen herauf, die in seiner Stille und Fülle mit beschaulicher Ruhe ihre Ferien verbringen

Herrlich schön ist der Herbst mit seinem prächtigen, bunten Farbenbild und seinen milden, nachsommerlichen Tagen.

Das leuchtende Gold der Lärchen in dem ewigen, ernsten Grün der Fichtenwälder und den leuchtenden tiefblauen Glocken des Enzians bilden einen heraldisch kräftigen Zweiklang mit den zinnoberroten Trugdolden des Vogelbeerbaumes.

Langsam färbt sich das Laub an den Bäumen in den Tälern, und eine Farbenfülle breitet sich nach und nach aus, wie sie der übermütigste Maler nicht zustande bringt

Auf den jährlich zunehmenden Waldschlägen und Holzblößen infolge Wiederaufforstung und Unwetterschäden herrscht rege Betriebsamkeit. Kräftige Axthiebe und schwere Motorsägen schallen durch das Tal.

Die Wiesen sind abgeerntet, vereinzelt weiden ein paar Kühe das kurze, nachsprießende Gras ab. Hell tönt ihr Läuten durch den Tag der mit ziehenden Nebeln. dahinschreitet bis den kühlen, mondhellen Nächten, in denen oben in den hohen Bergwäldern der Brunstschrei der Hirsche wach wird abgelöst wird.

Zauberhaft ist der Winter mit den spiegelnden Flächen, den gebetteten Kniehölzern, den vermummten Bergfichten, mit stillen Skispuren über weglose Gehänge, mit Rauhreif und bräunender Sonne.
Verschneit liegen die Hütten, und der Rauch steigt in den sonnigen klaren Winterhimmel empor. In der langen Winterszeit müssen uns der Raureif, der Busch und Halm zu Gebilden einer anderen Welt verzaubert, und die Eisblumen an den Fenstern der Bauden für Duft und Farbe entschädigen.

Starke Äste, im Sommer aufstrebend in strotzender Kraft, hängen rief gebeugt von der gleißenden Last, und jedes Zweiglein, verklärt von blendender Wintersonne, scheint zum Meisterstück eines Silberschmiedes geworden

Für den Wintertouristen kann der Winter in den Bergen oft nicht lange genug dauern, für den Einheimischen, der nicht nur die sonnigen Tage, sondern auch die stürmischen kennt, die mehr als eine Gefahr mit sich bringen, ist das Nahen des Frühlings oft wie eine Befreiung.

Es bleibt abschließend festzustellen das alle Jahreszeiten für seine Berge noch ausgeprägtere Eigenarten haben als dies für die Ebene gilt.