So viel besucht unser Riesengebirge ist, so ist doch der Osten des Gebirges zum Teil wenig bekannt. Wer kennt die romantischen Aufstiege die es dort gibt. So über Blauen See und den Scharlach zum Ochsenkopf und den einsamen Bergdörfern, die sich an der Lehne des Landeshuter Kammes um das Städtchen Kupferberg scharen.
Es ist eine weltentrückte Gegend, so recht für Naturfreunde, die in Stille und Einsamkeit ihres Weges ziehen wollen. Alte schöne Fachwerkhäuser findet man hier, so in Rohnau, das gewissermaßen der Mittelpunkt dieses dem Landeshuter Kamm vorgelagerten Berglandes ist.
Dann der Landeshuter Kamm selbst, dieser Waldkamm, der in einer Höhe bis zu 940 Metern von dem Boberdurchbruch bei Jannowitz zum Hauptkamm des Riesengebirges führt. Es ist ein feines stilles Wandern auf diesem Bergkamm, auf dem man selbst sonntags kaum jemand antrifft.
Ein weiter Blick eröffnet sich von den Höhen, zu denen man von Jannowitz im Minzetale kommt. Immer noch gewaltig ragt die Ruine des Bolzenschlosses empor, das förmlich aus dem Granitfelsen herauswächst. Schon im 14. Jahrhundert erbaut und im 16. Jahrhundert erneuert, wurde die Burg im Jahre 1645 von den Schweden niedergebrannt.
Durch die Fenster der Ruine schaut man auf die schroffen Granitkegel der Falkenberge, von denen der Kreuzberg die 1475 zerstörte Burg Falkenstein trug.
Unten im Hirschberger Tale blitzen Dörfer auf, deren parkumwobene Schlösser wohlbekannt sind, wie Fischbach und Ruhberg, wo Kaiser Wilhelm der I. in seinen Jugendjahren seinen Liebesfrühling mit der schönen Prinzessin Elisa von Radziwill träumte.
Jenseites der Boberschlucht erheben sich die Bleiberge mit dem von Wilhelm von Humboldt gerühmten Ausblicke vom Rosengarten und der Kolonnenstraße, die von Friedrich dem Großen zur Verteidigung Schlesiens angelegt worden ist.
Nach Osten schaut man auf ein regelloses Durcheinander von Bergzügen. Da türmen sich die mächtigen Waldkuppen des Waldenburger Berglandes auf, vom Hochwald und Sattelwald bis zum Storchberge und Heidelberge und dahinter geistert in der Ferne in schwachen Umrissen der Zobten.
Ja, es ist ein romantisches Wandern auf diesem Kamm. Es geht geradewegs auf den aus dem Hirschberger Kessel majestätisch aufsteigenden Nordkamm zu, der an manchen Tagen zum Greifen nahe scheint.
Vom Schmiedeberger Kamme bis zum Reifträger zieht er sich in vertrauten Linien hin. Die gewaltigen Häupter der Schneekoppe und des Hohen Rades beherrschen ihn. Im Frühjahr blitzen noch die Schneeränder der Teiche und der Schneegruben herüber.
Der Mariannenfels, hier ein eiserner Löwe von Rauch und die Friesensteine 940 m sind die Hauptaussichtspunkte des Landeshuter Kammes, der im Paß von Schmiedeberg in den Nordkamm des Riesengebirges übergeht.
Und da steigen schon wieder schöne Zuwege zum Hochkamm herauf, der eine von Landeshut her, das viel zu wenig gewürdigt wird.
Landeshut besitzt eine Lage ähnlich wie Hirschberg zu Füßen des Gebirges und mit ihm durch eine Bahnlinie verbunden. Gleich Hirschberg birgt es eine der sechs Gnadenkirchen die das protestantische Schlesien dem Schwedenkönig Karl XII.verdankt.
Wie die Hirschberger Gnadenkirche ist auch die Landeshuter von ihren Erbauern mit reicher Kunst geschmückt worden und sie besitzt in der Wallenberg - Fenderlinschen Bibliothek einen wahrhaften Schatz seltener Bibelausgaben und Handschriften u. a. von Luther und Melanchthon.
Auch der Markt mit seinen barocken Giebelhäusern und deren Laubengängen erinnert an den Markt in Hirschberg. Beide Städte haben eine gleiche Entwicklung durchgemacht. Ihr Wohlstand wuchs aus dem Leinenhandel, den Landeshut auch heute noch betreibt.
Von Landeshut benutzt man zweckmäßig bis Städtisch Dittersbach die Eisenbahn. Von der gibt es einen ausnehmend schönen Aufstieg zum Hochkamme, der zugleich der kürzeste ist. Nur 400 Meter beträgt der Höhenunterschied zwischen Städtisch Dittersbach und den Grenzbauden, wo einst die böhmisch-schlesische Grenze verlief.
Noch reizvoller ist der Aufstieg von Liebau her, also vom Rabengebirge, das wir im vorigen Jahre behandelt haben. Da geht es über Michelsdorf - hier der ungemein malerische Fachwerkbau des Fürstenkretschams aus dem 16. Jahrhundert, in dem der in Österreich in Verbannung lebende Freiherr vom Stein im Jahre 1810 eine heimliche Zusammenkunft mit dem preußischen Minister von Hardenberg zur Vorbereitung der Erhebung gegen Napoleon hatte -im engschichtigen Goldbachtale aufwärts ebenfalls zu den Grenzbauden, die man auch ab Liebau wie auch von Schmiedeberg mit Autobus erreicht.
An den Grenzbauden eröffnet sich dem Wanderer das böhmische Riesengebirge. Die Grenzbauden waren von jeher ein beliebtes Ausflugsziel. Im Sommer wie im Winter. Aber, wie es immer ist, blieben die meisten auf den üblichen Wegen. Da lockte vor allem die bequeme und aussichtsreiche Kammwanderung über die Schwarze Koppe nach der Schneekoppe.
Die wenigsten werden die schöne Rundwanderung von der Schneekoppe über die Leischnerbauden und durch den Messnergrund zu Mohornmühle gemacht haben oder gar in den Löwengrund eingedrungen sein, über dem sich auf schwindelnd steilem Hange Simmaberg wie ein Alpendorf auf eine Alm in weit zerstreuten Häuschen erhebt.
Hier erlebt man das Riesengebirge in seiner ganzen Urwüchsigkeit, abseits von dem großen Verkehr, und in seiner großartigen Schönheit. Wundervolle Blicke ergeben sich bei dieser Wanderung erst auf die Schründe des Brunnberges, auf Rübezahls Lustgarten und das Teufelsgärtchen sowie in den Riesengrund, dann in das Aupatal und in die einsamen Hochgebirgsschluchten, die sich auf den Nordkamm zu, von gewaltigen Bergen begleitet, erheben.
Von den Grenzbauden nach der anderen Seite, nach Südosten, streichen der dunkelwaldige Kolbenkamm 1200 m und das wiesige Rehorngebirge 1000 m. Das ist vom Skilaufen schon eher bekannt, denn es bietet auf seinen Wiesenmatten bequeme Skiwanderungen.
Im Sommer ist es aber auch dort einsam. Dabei wandert es sich prächtig auf den aussichtsreichen Höhen. Hier schaut man auf der einen Seite tief ins Riesengebirge hinein, wieder auf die großartigen Formationen des Brunnberges und auf die Geiergucke und den Fuchsbergkamm, auf der andern Seite auf das scharf profilierte Rabengebirge und auf das Waldenburger Bergland.
An klaren Tagen reicht der Blick gar bis zur Heuscheuer im Glatzer Bergland. Auch hier steigen romantische Wege vom Tale herauf, von Liebau durchs Goldbachtal, dann abzweigend im Freudentale oder über das schön gelegene Oppau.
Mit der Eisenbahn über Liebau - Königshan kommt man zu der alten Bergstadt Schatzlar, seinen Holzlaubenhäusern und seinem hochragenden Schlosse, und von hier geht es in dem reizenden Quintentale aufwärts auf die Höhe des Rehorngebirges. Der schönste Abstieg - umgekehrt auch der bequemste Aufstieg - ist der Rosaweg. Er zieht sich an der Lehne des Rehorngebirges hin und gewährt dauernd wechselnde Ausblicke in das Aupatal und die gewaltigen Berge, die es begleiten.
So kommt man in angenehmer Wanderung nach dem Bergstädtchen Freiheit, früher Bergfreiheit, und hier schließen sich gleich die schönsten Wanderwege nach Johannisbad - Schwarzenberg und ins Aupatal an.
Im tiefen Talgrund zwischen unzähligen Himbeerbüschen wandern wir nach Johannisbad auf heimlichen Pfade abseits der Verkehrsstraße. Von da lockt der großartige Klausengrund. Er beginnt eigentlich schon bei Freiheit. An unzähligen kleinen Wasserfällen geht es aufwärts, aber das Großartige erreicht dieser Grund erst oberhalb von Schwarzenberg.
Da wird der Bach zum Wildstrom. Brausend und tosend schießt er und schäumt er herab, von Fels zu Fels springend, in enger Klamm, die neben dem Wasser gerade noch einen Fußpfad Raum gelassen hat. Auch hier kann man sich an Himbeeren gütlich tun.
Die klingende und rauschende Melodie des Wassers, die nach einem starken Regen zu einem Furioso wird, begleitet uns hinauf zur Moorwiese in ein Bergland, das abseits des großen Verkehrs liegt, obwohl der hochführende Cernarweg eine bequeme, fast ebene Promenade zum hochragenden wildzerklüfteten Blaustein gewährt, von dem man eine wunderbare Rundsicht über das Gebirge genießt.
Nicht weniger schön ist der Blick vom Rudolfsweg, der rund um die Lichte Höhe 1244 m geht. Bei dieser Wanderung durch wenig bekanntes Bergland hat man einen überwältigend schönen Einblick in die gesamte Bergwelt des südöstlichen Riesengebirges. Man blickt über das tiefeingeschnittene Aupatal hinüber zum Rehorngebirge und im Rund zum dunklen Kolbenkamm, zur Schwarzen Koppe, in ein vielgefurchtes Bergland.
Der steile Kegel der Schneekoppe über dem tiefen Riesengrunde beherrscht die Landschaft mit dem breiten Haupte des Hochwiesenberges, der Geiergucke, dem Brunnberg und seinen alpinen Abstürzen und dem Fuchsberg. Das ist das großartige Panorama dieser weltentrückten Rundwanderung.
Steigt man auf heimlichen Pfaden hinab zum Aupatale, so kommt man zu Bauden, die sich ihre Ursprünglichkeit bewahrt haben, den Krausebauden, die in 100 m Höhe auf weitem Wiesenplan, vom Bergwald umrahmt, einsam liegen.
Weiter unterhalb kommen wir zur Ruine Aichelburg, die sich auf steilem Felsen hoch über dem Dunkeltal erhebt und zur einfachen aber gastlichen Aichelburgbaude und so allmählich in das vielbesuchte Aupatal.
Nach der anderen Seite lockt von der Moorwiese der Emmasteig zur bequemen Rundwanderung um den Schwarzen Berg, aber er ist leider verboten. Das ist zu bedauern, da er den Weg von Schwarzen Berg zur Bodenwiesbaude über den Glockensteig stark abkürzt.
Überhaupt fehlt es hier an mancher wichtigen Verbindung. Einer der bequemsten und schönsten Ausflüge von Johannisbad ist der nach den malerisch liegenden Spiegelbauden oberhalb von Schwarzental.
Es ist ein bequem ansteigender Bergweg der sich mit schönen Ausblicken in das Sudetenland allmählich zur Höhe von 1050 m hinaufwindet. Doch die Fortsetzung auf den Schwarzen Berg 1299 m gleicht mehr einer Wasserrinne als einem Weg und ist auch für einen rüstigen Wanderer beschwerlich.
Hier kommt man übrigens an den Hotels vorüber, die die Tschechen in gebirgsfremdem Stil, aber mit großem Luxus errichtet haben. Das eine dient jetzt unserer Luftwaffe als Erholungsheim.
Auf einem guten Traverseweg gelangt man von den Spiegelbauden zu den Töpfer- und Bodenwiesbauden. Man kann aber auch , um von den Spiegelbauden zu den Töpfer- und Bodenwiesbauden zu kommen, auf schönem Wege ins Tal steigen, um von Forsthause Schwarzental wieder im Grunde des Silberbaches aufwärts zu wandern.
Abwärts führt der Silberbach nach dem kleinen Städtchen Schwarzental, das einstmals als Bergstadt eine große Zukunft zu haben schien. Darauf deuten der riesige Marktplatz und die ansehnlichen Laubenhäuser hin, die in der Zeit der Goldfunde bei Schwarzental errichtet worden sind.
Noch kündet von jener Zeit ein Baustein im Hofe eines der ansehnlichsten Bauwerke, das im Jahre 1750 von dem damaligen Zechenmeister errichtet worden ist. Aber der Glanz jener Zeit ist dahin.
Nur 1100 Einwohner zählt die Stadt. Sie ist aber mit ihrer Historie, ihren mächtigen Häusern - in ihnen Kreuzgewölbe - ihren malerischen Laubenhäusern ein romantischer Abschluß des Ostens des Riesengebirges.